Die Schiedsrichterin Melissa Joos vom TV Echterdingen geht in ihre zweite Saison als Zweitliga-Schiedsrichterin bei den Frauen. Obwohl die 24-Jährige nur 1,59 Meter groß ist, kennt sie keine Akzeptanzprobleme – auch nicht bei den Männern.
Über eines ist sich Melissa Joos seit langem im Klaren. Als Fußballerin hätte sie es nie und nimmer in die zweite Bundesliga geschafft. Zu Teenager-Zeiten hat sie es ein halbes Jahr lang mit dem Ball am Fuß versucht – und ist kläglich gescheitert. Deutlich besser lief es mit der Pfeife im Mund. „Ich habe schnell gemerkt, dass das mein Ding ist“, sagt die nur 1,59 Meter große Echterdingerin. Am 28. August 2015 feierte sie ihren bislang größten Erfolg: Es war der Tag ihrer Schiedsrichter-Premiere eben in der zweiten deutschen Frauen-Liga. Inzwischen kann Melissa Joos, die als Elektro-Ingenieurin in Vollzeit bei einer Firma in Leinfelden arbeitet, auf zehn Einsätze in der Spielklasse zurückschauen.
Die Saison 2016/17 wird bereits Joos’ zehnte als Unparteiische. Am Wochenende ist noch ein Lehrgang in der Sportschule Kaiserau, damit die Schiedsrichter ob der Regelmodifizierungen, die es gibt, top vorbereitet in die Runde gehen.
An die 60 Begegnungen hat Melissa Joos zuletzt pro Spieljahr geleitet. Tendenz steigend. „Ich denke, dass es diesmal sogar zwischen 70 und 80 werden“, sagt sie. Dass mit der Pfeiferei meist das gesamte Wochenende verplant ist, stört die 24-Jährige, die für den TV Echterdingen pfeift und sich seit 2009 im Ausschuss der Schiedsrichtergruppe Stuttgart um die Förderung der Schiedsrichterinnen kümmert, nicht. Zum einen bereite ihr die Aufgabe großen Spaß, zum anderen schaut sie sich mit ihren Assistenten auch gerne die Städte an, in denen sie im Einsatz ist. „Da hat man dann auch ein schönes Wochenende gehabt“, sagt Melissa Joos, zu deren Gespann bei den Frauen Diana Ehmig (VfB Stuttgart) und Jessica Mast (SV Mietingen) gehören.
Bei den Männer kommt Joos bis hinauf zur Landesliga zum Zug und wird von ihrem Vereinskollegen Sandro Mendicino und Bastian Gaedike (Stuttgarter Kickers) unterstützt. Selbst steht sie, deren Vorbilder der dreimalige Weltschiedsrichter Markus Merk und die Fifa-Schiedsrichterin Christine Baitinger sind, in der Oberliga der Männer und sogar der Bundesliga der Frauen an der Seitenlinie. Dort einmal das Geschehen auf dem Rasen zu leiten, ist ihr großer Wunsch. Ob es klappen wird? „Ich gebe immer das Beste, und dann schaue ich mal, wo es hinführt“, sagt Melissa Joos.
Zuletzt hat ihr Talent sie nach Norwegen gebracht. Anfang Juli, beim Nordic-Cup, der Europameisterschaft für U-16-Nachwuchsspielerinnen, war sie eine von 16 aufgebotenen Schiedsrichterinnen. „Ich muss einiges richtig gemacht haben, sonst wäre ich nicht nominiert worden“, sagt Melissa Joos und lacht. Vier Spiele durfte sie leiten, zwei davon mit norwegischer Beteiligung. „Da war die Stimmung im Stadion natürlich riesig“, sagt Melissa Joos mit Blick auf das jüngste Highlight in ihrer immer noch jungen Laufbahn.
Von ihrem Arbeitgeber wird sie in ihrem aufwändigen Hobby großzügig unterstützt. „Wir finden immer gute Lösungen. Das ist toll“, sagt die Echterdingerin, die drei- bis viermal in der Woche trainiert. Antrittsschnelligkeit, Richtungswechsel, Intervalle – das steht mit den Kollegen der Schiedsrichtergruppe auf dem Programm. Ihre Ausdauer holt sich Melissa Joos donnerstags beim Zwölf-Kilometer-Lauf mit der Betriebssportgruppe. Dazu kommt regelmäßiges Krafttraining.
Akzeptanzprobleme kennt Melissa Joos auf dem Platz keine – weder bei den Frauen noch bei den Männern. „Wenn man konsequent und mit einer klaren Linie berechenbar ist, dann wird man überall akzeptiert“, sagt sie. Auch mitunter wenig höfliche Kommentare von der Tribüne bringen sie nicht um den Schlaf. Ihr Rezept: „Ich schalte auf Durchzug. Und wenn einer zwei, drei Biere Vorsprung hat, dann sowieso.“ Es ist eine Taktik, mit der sie bislang gut gefahren ist. Hinschmeißen wollte sie jedenfalls noch nie. Im Gegenteil. Irgendwann soll, wie gesagt, der nächste Schritt auf der Karriereleiter folgen.
Mit der Pfeife hat Melissa Joos ihre Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft – im Gegensatz zu jenen mit dem Ball am Fuß.