Nach drei Jahren des permanenten Abstiegskampfs hat der TV Echterdingen den nächsten personellen Schnitt gemacht. Hoffnungsträger ist nun der neue Trainer Giuseppe Iorfida, unter dem sich nicht nur die Spielweise ändern soll.
Preisfrage: wie macht man sich als neuer Trainer gleich einmal unbeliebt? Giuseppe Iorfida lacht. „Ja, auch ich selbst habe früher meine Trainer in solchen Fällen nicht gerade gefeiert“, sagt der 39-Jährige. Aber was sein muss, das muss sein. Und so haben beim TV Echterdingen in dieser Saisonvorbereitung, flapsig formuliert, die Schuhsohlen gequalmt. „Ziemlich intensive Wochen“ seien es gewesen, merkt der sportliche Leiter Valentin Haug grinsend an. Iorfida, der von ihm verpflichtete Eisenhardt-Nachfolger, hat vom ersten Tag an klar gemacht, was für ihn die unerlässliche Basis seines bevorzugten Fußballstils ist: Fitness, Kondition, Laufbereitschaft, bis die Lunge brennt. Eben gelaufen sind die Gelb-Schwarzen folglich ausgiebig. Der vom kollektiven Ächzen begleitete „Höhepunkt“: vier Zehn-Kilometer-Rennen auf Zeit. Der Coach selbst war quer durch Wiesen und Wälder mit der Stoppuhr dabei.
In den Goldäckern herrscht nun die Hoffnung vor, dass es die ersten Schritte in eine endlich wieder bessere Zukunft sind. Wenn ein Verein in den vergangenen Jahren in der Liga gelitten hat, dann die Echterdinger. In bitterer Regelmäßigkeit ist der Filderclub abgestürzt auf dem schmalen Grat zwischen großen Erwartungen und großer Ernüchterung. In drei Spielzeiten nacheinander lautete die Realität: Abstiegskampf, nichts anderes. Nicht nur das: dreimal auch brauchte es auf der Zielgeraden den Beistand von Fortuna, damit es nicht komplett schief gegangen ist. Zuletzt, vor ein paar Monaten, bewahrte der coronabedingte Saisonabbruch die Echterdinger vor einer drohenden erneuten Zitterpartie.
Die Lehren, die die Verantwortlichen daraus gezogen haben, sind unterschiedlicher Natur. Zum einen legen sie in der Gewissheit, dass bei diesmal sieben möglichen Direktabsteigern eine happige Runde bevorsteht, die Messlatte von vornherein niedriger an. „Wir sollten demütiger sein. Es kann unter diesen veränderten Umständen nur darum gehen, so schnell wie möglich den Klassenverbleib zu sichern“, sagt Haug. „Ein Drittel der Liga steigt ab“, fügt Iorfida zur Verdeutlichung an, „wer das nicht gleich begreift, wird schon im Oktober in der Tabelle eine böse Überraschung erleben.“
Zum anderen ist der nächste personelle Schnitt vollbracht. Neuer Trainer, wie gesagt, dazu im Kader erneut zehn Zu- und neun Abgänge. Einen zweifelhaften Rekord nimmt der TV Echterdingen dabei in Kauf. Insgesamt hat der Verein seit Sommer 2018 sage und schreibe 48 Spieler neu geholt, 47 brachen derweil ihre Zelte ab. Es war in der jüngeren Vergangenheit ein Kommen und Gehen wie in einer Drehtür am Flughafen. „Teils zwangsläufig“, sagt Haug, „mitunter fiel eine Planung schwer, wenn man halt bis zum letzten Spieltag nicht wusste, in welcher Liga man künftig spielt.“ Kritischere Beobachter mögen sich aber auch fragen: Führte tatsächlich der sportliche Misserfolg zum Mangel an Kontinuität? Oder wird eher umgekehrt ein Schuh daraus? Kostete vielmehr die fehlende Kontinuität den erhofften Erfolg?
Iorfida soll nun der Stabilisator sein. Der Coach erkennt „viel Arbeit“ – und mahnt zur Geduld. Eine neue Spielidee lässt sich nun mal nicht kurz über Nacht in eine noch dazu neue Mannschaft implantieren. „So etwas geht nicht in ein, zwei Monaten“, sagt Iorfida. Wo manch einen womöglich zusammenzucken wird: auf seiner Vorgängerstation, beim Rems/Murr-Bezirkligisten Unterweissach, habe es gar zwei volle Jahre gebraucht, bis die Seinen so auf dem Rasen aufgetreten seien, wie von ihm vorgestellt. „Giftig, gallig“, aggressiv im Spiel gegen den Ball. Stichwort Pressing. Das erfordert eine hohe Laufintensität – wobei man dann wieder beim Eingangsthema ist, der Sache mit der harten Vorbereitung.
Die personellen Voraussetzungen immerhin, da sind sich Iorfida und Haug vor dem Auftakt am morgigen Samstag beim Aufsteiger SV Waldhausen einig, die sind gut. „Die nötige Qualität, um unsere Ziele zu erreichen, ist vorhanden“, gibt sich Haug überzeugt. Rund um seine „drei wichtigen Führungsfiguren“ ist sein Trainer nun am Basteln. Der Kapitän Dennis Garcia-Franco (Innenverteidigung) sowie dessen Stellvertreter David Hertel (linke Seite) und Tobias Heim (Mittelfeld) – dieses Trio ist von Iorfida zu den Eckpfeilern auserkoren. „Sie sind diejenigen, die auf dem Platz reden und vorangehen müssen“, sagt er. Bei Garcia-Franco und Hertel handelt es sich nebenbei um die beiden Einzigen im Kader, die auch schon bei Iorfidas erstem Echterdinger-Gastspiel vor sechs Jahren, damals als spielender Co-Trainer, dabei waren.
Bei den Neuverpflichtungen lag das Augenmerk derweil vor allem auf der Offensive. 21 Treffer in 18 Saisonspielen? Schlechter war in diesem Bereich zuletzt nur der Tabellenletzte Sontheim. Zuvorderst der vom Staffelrivalen SV Bonlanden abgeworbene Torjäger Max Pradler scheint geeignet, dies zu ändern. Aber auch ein Marvin Kuhn (von der Spvgg Möhringen, früher Oberliga), Driss Majid (von TSV Weilheim) oder Florian Dölker (vom TV Nellingen) haben in den Testspielen Duftmarken gesetzt – Dölker nicht nur auf dem Rasen.
Wer bei den erwähnten Iorfida’schen Quälläufen gegen die Uhr dann eigentlich vorn gelegen ist? Richtig, der hauptberufliche Polizist Dölker, zusammen mit Nico Plattenhardt. „Sahnestückchen“, stellt Iorfida gleich klar, „gibt es dafür aber nicht.“ Jene erst, wenn der von ihm angepeilte achte oder neunte Platz in der Abschlusstabelle erreicht ist. „Damit wäre ich im ersten Jahr hoch zufrieden“, sagt Iorfida. Und in dem Fall wären dann wohl auch seine Spieler überzeugt: Die Schinderei hat sich gelohnt.