Der Interimstrainer Martin Kittelberger zur Situation beim Landesligisten TV Echterdingen nach dem Startdebakel.
Was macht man als Trainer nach solch einem Einstand? Den Tag verfluchen, an dem man sich zur Jobzusage hinreißen lassen hat? Oder gleich wieder einpacken? Nach dem 1:9-Debakel in Hofherrnweiler sind Martin Kittelberger und Marc Elsäßer, die beiden neuen Interimscoaches des Fußball-Landesligisten TV Echterdingen, um eine schnelle Aufarbeitung bemüht. Denn am morgigen Donnerstag steht bereits die nächste Aufgabe an, das im Abstiegskampf richtungsweisende Nachholspiel beim Vorletzten SG Bettringen. Warum er weiter vom Klassenverbleib überzeugt ist und was ein Scheitern für den Verein bedeutete, verrät Kittelberger vorab im Interview.
Herr Kittelberger, können Sie mit dem Datum 11. August 2002 noch etwas verbinden?
Ich denke, das ist der damalige Echterdinger Aufstieg in die Landesliga gewesen. . .
Nicht ganz. Es war der Tag, an dem Sie im Derby gegen den SC Echterdingen (heute Calcio) einen Achillessehnenriss erlitten – das Ende ihrer Spielerlaufbahn.
Stimmt! Das habe ich noch vor mir. Das war ganz bitter. Ich kann mich gut erinnern: Ich mache zwei Schritte zum Ball, es macht „Peng“, ich gehe zu Boden. Und am Abend saß ich dann zusammen mit meinen Teamkollegen Uwe Vohl und Mustafa Göktas in der Sportklinik – der Uwe hatte sich zudem das Schultereckgelenk gebrochen und der „Musti“ das Kreuzband gerissen.
Bislang war dies Ihr Echterdinger Karrieretiefpunkt. Gibt es seit Sonntag mit dem 1:9 in Hofherrnweiler einen neuen?
Nein, das will ich so nicht sagen. Es ist sicher ein Brett, das wir da gekriegt haben. Aber es war nur ein Spiel. Nach nur zwei Trainingseinheiten und eben einem Spiel sind der Marc und ich relativ unverbraucht und in den Gedanken positiv. An der Situation für uns hat sich ja eigentlich nichts geändert.
Mal ehrlich: wie oft haben Sie seit der Begegnung darüber nachgedacht, ob es die richtige Entscheidung war, den Job anzunehmen?
Das war schon im Vorfeld nicht ohne. Als ich mich mit Marc ausgetauscht habe, haben wir gesagt: tun wir es uns an? Geht es für uns beide zeitlich, jobmäßig. Und wie ist es mit den Gegebenheiten, die man antrifft und die ja auch der vorige Trainer so hatte. Aber wir haben uns jetzt dazu entschieden, das diese sechs Wochen zu machen. Und das gilt natürlich auch nach diesem 1:9.
Im Umfeld gibt es Stimmen, als Trainer könne man solch einem Start eigentlich gleich wieder einpacken. . .
Als ich am Montag auf den Sportplatz gekommen bin, hatte ich ein Lächeln auf dem Gesicht. Wir könnten jetzt hadern, nachhaken, lamentieren – aber das bringt nichts. Es gilt, die Situation anzunehmen. Wir haben immer noch genügend Spiele, das zurechtzubiegen. Am Montag hatten wir eine sehr gute Trainingseinheit.
Haben Sie inzwischen eine Erklärung für das Debakel?
Ja, habe ich. Im Nachgang ist für mich klar geworden: man steht zwischen Ex-Trainer und schon Gesprächen mit dem künftigen Trainer (Anmerkung der Redaktion: von Juli an Christopher Eisenhardt, bisher TSV Weilheim). Wir haben die Situation, dass der ein oder andere beim TVE bleibt und der ein oder andere nicht. Diese Situation ist für die Spieler sicher nicht einfach.
Von der Auftrittsweise her hätte man fast eine Protest- oder Verweigerungshaltung vermuten können.
Wir haben das abgefragt. Der Großteil hat gesagt: Die Trainertrennung war der richtige Schritt – es war an der Zeit. Und wir haben nun am Montag nachgehakt, ob es vielleicht ein Problem mit Marc und mir gibt oder es in der Vorbereitung nicht gepasst hat. Aber die Spieler haben klar artikuliert, dass das nicht der Fall ist.
Das heißt, die Mannschaft war allein mit dem Kopf nicht bei der Sache?
Es liegt an den Spielern, es anzunehmen, dass jetzt wir für diese sechs Wochen das Sagen haben – und dass sie das komplett ausschalten, was zuvor war und was kommt. Es muss jeder Einzelne wieder 100 Prozent bringen und sich auf seine eigene Leistung konzentrieren – und nicht darauf, ob der Rasen richtig gemäht ist oder andere Dinge. Wenn wir das schaffen, sind wir einen ganz großen Schritt weiter.
Aber steckt nicht gerade darin die Schwierigkeit: dass Spieler, die eben nächste Saison gar nicht mehr da sein werden und somit womöglich nicht mehr die große emotionale Bindung haben, aktuell noch die Kohlen aus dem Feuer holen sollen?
Nein, das sehe ich gar nicht. Da ist jeder zu sehr Fußballer und sagt: ich ziehe das durch. Da lässt sich keiner hängen. Keiner möchte einen Abstieg in seiner Vita haben. Ich denke, das ist Ansporn genug.
Im Verein und bei den Fans geht gleichwohl die Abstiegsangst um. Womit können Sie den Leuten Mut machen?
Dadurch, dass es noch sechs Spiele sind und dass die Liga sehr ausgeglichen ist. Wir haben ein schwieriges Programm; das ist allen bewusst – ebenso, dass im Verein nun alle sehr eng zusammenrücken müssen. Die nötige Qualität ist da.
Die hat auch Ihr Vorgänger Mario Estasi attestiert, musste aber erkennen, dass er aufgrund der anhaltenden Verletztenmisere immer wieder an Grenzen stößt.
Inzwischen haben wir wieder den ein oder anderen mehr im Training. Aber es ist natürlich schon eine enge Kiste, wenn einer zwei, drei Wochen verletzt ausgefallen ist. Da muss man abwägen, dass man einen Spieler nicht zu früh wieder einsetzt und dann vielleicht gar nicht mehr hat.
Wer konkret von den zuletzt acht Fehlenden ist wieder dabei?
Robin Rueff und Simon Leichleitner waren zumindest wieder im Training, sind aber noch mit Fragezeichen zu versehen. Unser Torwart Haug und unser Käpt’n Hertel fehlen definitiv weiter – das schmerzt, klar.
Mario Estasi hat auch Kritik an der Abteilungsleitung geübt. Sein Vorwurf: von Echterdinger Vereinsseite habe man immer große Erwartungen, tue aber nichts Entsprechendes dafür. Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass es seit dem Verbandsliga-Abstieg 2011 so oft eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit gegeben hat?
Dazu möchte ich jetzt nicht viel sagen. In den vergangenen Monaten hat man sich beim TVE zusammengesetzt und ein Kompetenzteam kreiert, in dem ich auch mit dabei bin. Für die Zukunft hat der Verein da schon den ein oder anderen richtigen Ansatz. Ich denke, es muss mal wieder eine gewisse Kontinuität und Ruhe rein. Eine Entwicklung mit jungen Spielern aus der Region und den eigenen Reihen, was man ja auch schon erkannt hat. Aber im Moment will ich mich nicht darauf konzentrieren, was vielleicht noch im Argen liegt, sondern ausschließlich auf den Rest dieser Saison.
In jener belegt der TV Echterdingen weiter den Relegationsplatz. Wie bewerten sie die Ausgangslage?
Unverändert sehr intensiv, anspruchsvoll und heftig. Aber zur Tabelle momentan nur eines: Wir steigen nicht ab. Dafür müssen und werden wir die Punkte holen.
Die ersten am besten gleich an diesem Donnerstag in Bettringen. Schon ein Endspiel vor dem Hintergrund des weiteren Programms, das unter anderen noch die Topteams Waldstetten und Heiningen als Gegner beschert?
Klar hat diese Partie eine besondere Bedeutung. Aber es wird eine genau so fiese wie die dann noch folgenden. Wir gehen rein, um zu gewinnen – ein Ziel, das ich aber generell in jedem Spiel habe.
Und wenn es am Ende doch schief geht? Welche Bedeutung hätte ein Abstieg?
Das wäre unglaublich schade und unglaublich traurig. Aber mit dem beschäftige ich mich überhaupt nicht. Noch einmal, und das werde ich auch am Sonntag beim nächsten Heimspiel im Stadionheft schreiben und versprechen: Wir steigen nicht ab.
Wissen Sie noch, wie die seinerzeit für Sie persönlich so unheilvoll begonnene Saison 2002/2003 dann ausgegangen ist?
Es war so, dass man auch einen Trainerwechsel hatte – Robert Stadtmüller musste gehen – und man dann aber die Klasse gehalten hat.
Richtig. Unter Heinz-Jürgen Voise als Rückkehrer. Damals wurde zumindest für den TV Echterdingen noch alles gut.
Das nehmen wir gerne als gutes Omen.
Das Gespräch führte Franz Stettmer