Diesellok gegen Transrapid – am Ende mit Bernhausener Derby-Hurra

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Stuttgarter NachrichtenStuttgarter Nachrichten v. 24.08.2025

Der TV Echterdingen unterliegt dem TSV Bernhausen erneut, diesmal mit 0:1. Warum der Matchwinner nur bedingt feiern kann – und weshalb manch einem mulmig werden könnte.

Auf den Rängen 800 Zuschauer, auf dem Rasen ein Duell, „das die ganze Filderregion elektrisierte“. Und in der Tabelle? Nachzulesen schwarz auf weiß: Erster der TV Echterdingen, stramm auf Titelkurs! Dem ein oder anderen auf gelb-schwarzer Seite dürfte am Samstagabend bei Lektüre dieser Zeilen warm ums Herz geworden sein, vor allem den nicht mehr ganz so jungen.

Der Haken an der Geschichte: Es handelte sich lediglich um einen Rückblick im Stadionmagazin. Fußball-History von damals, 41 Jahre her. Dass die aktuelle Realität eine ungleich tristere ist, das hat dann ebenfalls der Samstagabend gezeigt. Und das nicht nur, weil die Echterdinger die Neuauflage des Derbys gegen den TSV Bernhausen, Version 2025 statt Version 1984, verdient mit 0:1 verloren haben.

Auch nach dem Abstieg aus der Verbandsliga lässt der herbeigesehnte Turnaround also auf sich warten. Im laufenden Kalenderjahr lautet die Bilanz der einst stolzen Gastgeber nun: 17 Pflichtspiele, 14 Niederlagen – derweil das Hoch ihres als Meisterschaftsfavorit gehandelten Nachbarn vom Fleinsbach offenbar gar nicht mehr enden will. Für ihn sind im selben Zeitraum aus 18 Liga- und Pokalbegegnungen 15 Siege notiert. Während der Echterdinger Trainer Valentin Haug sichtlich frustriert an einer „Zigarette danach“ zog, hüpfte das Gästeteam grölend im Kreis: „Derbysieger, Derbysieger, Derbysieger!“ Selbst der angeschlagene Matchwinner wollte sich nicht lumpen lassen und machte mit.

Gerade einmal knapp fünf Minuten waren gespielt, als Jamie-Noah Demir zur Bernhausener Führung einnetzte. Sein überhaupt umtriebiger Teamkollege Lukas Walz eroberte im Pressing gegen Leo Milutinovic den Ball und legte quer. Demir, später mit einer Oberschenkelprellung raus, nahm an. Ein Schlenker noch, womit er den Routinier Steffen Schmidt ins Leere laufen ließ, dann ein wuchtiger Schuss – für einen 19-Jährigen, der in der vergangenen Saison noch bei den Junioren gekickt hat, erstaunlich abgezockt gemacht. Was zu diesem Zeitpunkt natürlich keiner wissen konnte: Es sollte der goldene Treffer der Begegnung sein – und zugleich einer, der in der Entstehung sinnbildlich für deren Gesamtgeschehen stand.

„Die Anfangsphase komplett verpennt, danach oft zu zögerlich und viel versucht – aber Versuchen allein reicht halt nicht“, bilanzierte der Coach Haug für die Seinen, verbunden mit einer klaren Forderung an jene: „Ich verlange von den Jungs, dass sie sich ganz schnell steigern.“ In puncto Spieltempo und Handlungsschnelligkeit war es zumindest in der ersten Hälfte ein Klassenunterschied. Bissiger ließe sich anmerken: gefühlt so, als wollte eine Diesellok gegen einen Transrapid bestehen. Oder eine AH-Truppe gegen ein in Saft und Kraft stehendes Aktiventeam. In Durchgang zwei dann bekamen die Echterdinger das pfeilschnelle Bernhausener Umschaltspiel zwar besser in den Griff. Einer intensiveren Gangart sei Dank, inklusive eines Gelb-Rot-Platzverweises für den Kapitän Marvin Kuhn (83.). Doch fehlten dem eigenen Tun zündende Ideen und Durchschlagskraft.
Nach der Pause ging es in den Zweikämpfen energischer zur Sache. Im Bild: Yannis Kalchschmidt (links) gegen Michael Henneh. Foto: Günter Bergmann

Dass die beiden einzigen eigenen herausgespielten Tormöglichkeiten am Ende trotzdem noch zu einem schmeichelhaften Teilerfolg oder sogar mehr hätten reichen können, war einem gleichzeitigen Chancenwucher der Gegenseite zuzuschreiben. So hatten die eingewechselten Anes Handanagic und Marc Mägerle noch den Ausgleich auf dem Fuß – einmal verhinderte der Bernhausener Torhüter Matej Livancic jenen, einmal schlug Dimitrios Vidic den Ball noch von der Torlinie (66./81.), sehr zur Erleichterung seines Coachs Ali Karakoc.

Letzterer, Stellvertreter des urlaubenden Chefs Roko Agatic, setzte seine Stimmbänder als lautstarker Kommandogeber einem gut 90-minütigen Stresstest aus. „Eine super Leistung unserer Mannschaft“, befand er hinterher, „aber wir mussten einfach unsere Hundertprozentigen machen. Das haben wir versäumt.“ Die größten ließen zweimal Walz sowie dessen Flügelzangen-Partner Bogdan Rangelov liegen. Die Gelegenheiten, den Echterdingern wie schon im Pokalduell vor vier Wochen (2:4) an selber Stätte vier Stück einzuschenken, waren allemal da.

Aber auch so mag manchem Konkurrenten mit Blick auf die „Veilchen“ mulmig werden. Was erst, wenn diese Mannschaft einmal in Bestbesetzung zu Gange ist? Aktuell fehlten ja noch fünf Stammspieler. Der eigentlich befürchtete sechste, Oliver Lujic, hatte kurzfristig seinen Kroatien-Urlaub einen Tag früher beendet und mischte als glänzende Ein-Mann-Kombi aus Balleroberer und Ballverteiler bereits wieder mit. „Seine Freundin war so nett und hat zugestimmt“, berichtete ein lächelnder Teammanager Joachim Epple.

Fürs nächste Wochenende werden nun auch noch die anderen zurückkehren, darunter der Spielführer und Torjäger Ivan Matanovic. Starten die Bernhausener dann erst richtig durch?

Aktuell jedenfalls bleiben sie in dieser noch jungen Landesliga-Saison makellos. Zwei Spiele, sechs Punkte. Auch in dieser Hinsicht sind beim TV Echterdingen, seinerseits noch mit einer dicken Null auf dem Konto, wehmütige Blicke erlaubt.

Ach herrje, was waren das noch für Zeiten, vor 41 Jahren, wenn auch eine Spielklasse tiefer in der Bezirksliga? Ausgegangen ist das damalige Gipfelduell noch im alten Filderstadion übrigens 1:1 – und Gelb-Schwarz feierte wenig später tatsächlich den Meistertitel. Zur Freude wie vieler der erschienenen 800, ist nicht überliefert. Diesmal, am Samstagabend, kamen gerade mal um die 300.
Echterdinger „Spieler des Spiels“ Marko Gaspar (Nominierungen: 1). Vor allem er, der Keeper, verhinderte eine höhere Echterdinger Niederlage. In einer Mannschaft der Enttäuschenden einer der wenigen Spieler mit ansprechender Form.
Bernhausener „Spieler des Spiels Oliver Lujic (Nominierungen: 1). Viele Balleroberungen, viele kluge Vertikalpässe, mit denen er seine Mitspieler in Szene setzte. Dass er erst am Tag zuvor aus dem Urlaub zurückgekehrt war, war dem vor der Saison von höherklassiger Konkurrenz umworbenen 23-Jährigen nicht anzumerken.

TV Echterdingen: Gaspar – Heinrich, Milutinovic, Kuhn, Nita (59. Handanagic) – Steffen Schmidt – Dölker (79. Mägerle), Kalchschmidt, Herderich (75. Babatas), Pirracchio (87. Karakus) – Celiktas (59. Oguz).

TSV Bernhausen: Livancic – Vidic, Ege, Sterian, Henneh – Lujic – Rangelov (90.+5 Stegl), Kranz (88. Lombardo), Jordacevic (69. Böhmer), Walz (90.+7 Seddon) – Demir (58. Markic).