Der Aufsteiger TSV Plattenhardt siegt in einem spektakulären Landesliga-Derby beim TV Echterdingen mit 5:2. Für den einen Trainer wird es damit eine furiose Rückkehr, für den anderen ein schwarzer Abend, nach welchem er mit Kritik nicht spart.
Wenigstens für einen beim TV Echterdingen ist es dann noch eine lohnende Angelegenheit geworden mit diesen Gästen. Cataldo Diletto, der Inhaber der Stadiongaststätte in den Goldäckern, durfte sich zur späteren Abendstunde über eine gut 20-köpfige Delegation freuen, die bei ihm einfiel und hungrig und durstig war. Nicht nur das: auch bestens gelaunt. Sie hatten etwas zu feiern beim TSV Plattenhardt. Genauer gesagt: sogar zwei Dinge. Zum einen nachträglich den 40. Geburtstag ihres Teammanagers Paulo Bayrak vom Tag zuvor. Zum anderen aber vor allem dieses Ergebnis eines Spiels, das wohl keiner so schnell vergessen wird. Einer Begegnung, die nachwirkt wie Donnerhall.
5:2! Mit sage und schreibe fünf Toren hat der Aufsteiger Plattenhardt am Mittwoch seinen Echterdinger Gegner auf dessen Platz abserviert. Danach erst einmal alle hinsetzen und tief Luft holen. Was für ein Derby! Was für ein Spielverlauf! Und auch was für eine Rückkehr des Gewinnertrainers Antonino Rizzo an seine einstige Wirkungsstätte! Dorthin, wo er bis vor drei Jahren selbst langjähriger Leistungsträger war.
Während der Amtskollege und Kumpel Giuseppe Iorfida zuletzt um Fassung rang und den Seinen ein kollektives „Unterirdisch“ attestierte, schien es Rizzo noch gar nicht richtig glauben zu können. Kopfschüttelnd und lachend stand der 32-jährige da nach dem mittlerweile vierten Sieg in Serie seines Aufgebots. Es war diesmal der mit Abstand imposanteste. „Wir alle haben gerade Riesenspaß“, sagte Rizzo. Stolz sei er auf seine „Jungs, welche Mentalität diese erneut gezeigt haben“. Dabei war jene nur der eine Teil der Geschichte. Hinzu kamen nach anfänglichem Zwei-Tore-Rückstand auch bemerkenswerte Qualität und in der Effizienz schlichte Brutalität. Man muss auf Echterdinger Seiten tief im Gedächtnis graben, um fündig zu werden, wann eine eigene Mannschaft in einem Lokalduell jemals derart von einem Gegner hergespielt worden ist. „Nach der Pause“, erkannte Iorfida, „war es ein Klassenunterschied.“
Und das, nachdem für Gelb-Schwarz doch alles so verheißungsvoll begonnen hatte. Im Nachhinein wirkt es komisch: Aber vor rund 400 Zuschauern hatten zunächst Iorfidas Kicker das Geschehen bestimmt. Hoch verteidigend, mit frühem Pressing, bissig in den Zweikämpfen – so hatten sie in der ersten halben Stunde vermeintlich klar demonstriert, wer als Sieger vom Kunstrasen zu gehen gedenkt. Eigentlich. Tatsächlich erwiesen sich dann selbst zwei eigene erste Treffer durch Marvin Kuhn (nach Flankenlauf von Elvir Gashi) und Driss Majid (nach Gassenpass von Tobias Heim) als Muster ohne Wert. Ob alles ganz anders gelaufen wäre, hätte der Angreifer Max Pradler obendrein eine seiner zwei Großchancen genutzt? „Wir hätten auch 3:0 oder 4:0 führen können“, konstatierte Iorfida.
Hätten, Konjunktiv. Dann kam die Wende, schlagartig. Es schien, als hätten die Plattenhardter sich das alles zunächst mal unaufgeregt angeschaut, um an einem gewissen Punkt zu beschließen: So, jetzt reicht’s. Jetzt wird’s Zeit, zu zeigen, wer hier wirklich das Sagen hat. Erst riss der Aufsteiger im Mittelfeld die Herrschaft an sich. Dann warf er seine Angriffsmaschinerie an. Oder, um es mit Rizzo zu sagen: „Da ist die Post abgegangen.“ „Wie eine Dampfwalze“ sei seine Elf angerollt – was in Bezug auf die offensive Wucht allemal stimmt. In anderer Hinsicht, bezüglich Tempo, taugte eher der Vergleich mit einem Hochgeschwindigkeitszug.
Zumeist waren es nur zwei, drei Stationen aus der eigenen Hälfte heraus, und schon brannte es vor dem Echterdinger Tor. Schnörkellos, pfeilschnell. Eindrucksvoll zeigte sich dabei, dass die Plattenhardter Verantwortlichen bei ihrer Großtour der vergangenen Monate auf dem Spielermarkt offenbar nicht nur den nötigen Geldbeutel, sondern auch den richtigen Riecher gehabt haben. Angefangen von dem einstigen Drittliga-Kicker Michael Deutsche, nun Dreh- und Angelpunkt im eigenen Spiel, über die torhungrigen Außen Vincenzo Giambrone und Emre Yildizeli bis hin zu diesem gerade einmal 19-jährigen Burschen im Sturm. Gestatten: Marko Drljo. „Was der da vorne Betrieb macht, ist für sein Alter erste Sahne“, sagte Rizzo mit Blick auf den aus Balingen zurückgeholten vormaligen Jugendspieler des Vereins.
Zuvorderst dieses Quartett düpierte schließlich einen mehr und mehr ohnmächtigen Gegner. Drljo machte den Anfang mit einem sehenswerten Drehschuss zum Anschluss und bereitete danach noch zwei weitere Treffer vor. Giambrone gelang noch vor der Pause im Nachsetzen der Ausgleich. Und von da an ging es Schlag auf Schlag. Kevin Siekerman nach einer Ecke, erneut Giambrone per sattem Flachschuss zu seinem persönlichen Saisontor Nummer sechs bereits, Yildizeli wuchtig von halbrechts. Spätestens als auch noch dieser Ball in die Maschen schlug, waren die Verhältnisse geklärt. Auch für Iorfida. Hatte er seine Mannschaft bis dahin unermüdlich und lautstark angetrieben „Da ist noch was drin!“, war auch ihm der Stecker gezogen.
Die Kunst wird nun sein, ihn schnell wieder ans Netz zu kriegen. Weiter geht es bereits am Sonntag, für die Echterdinger dann gleich mit der nächsten schweren Aufgabe in Ebersbach. Klar, es sind gerade mal sechs von 38 Spieltagen absolviert. Noch kein Zeitpunkt für weitreichendere Zwischenbilanzen. Das Vorhaben, sich durchgängig von der Abstiegszone fernzuhalten, ist gleichwohl schon jetzt in Gefahr – ebenso wie sich in Plattenhardt eines schon jetzt skizzieren lässt: Spielt diese Mannschaft tatsächlich allein um den Klassenverbleib? Nach dem Auftritt vom Mittwoch schwer vorstellbar.
Rizzo freilich hatte erst mal andere „Sorgen“. „Dürfen wir überhaupt rein?“, fragte der Trainer zur Stadiongaststätten-Terrasse hinauf. Man kann ja nie wissen in Corona-Zeiten. Ein Zutrittsverbot ob des heftigen sportlichen Streichs, dem er seinem Ex-Verein gerade gespielt hatte, hatte jedenfalls keiner verhängt.
TV Echterdingen: Weizel – Kamdem Mabou (44. Zogaj), Özge (76. Winkler), Stehle, Hertel – Bulut (62. Fregien) – Gashi, Heim, Kuhn, Pradler (76. Dölker) – Majid.
TSV Plattenhardt: Bauer – Rippler, Göcer, Rueff, Raupach – Yildizeli, Stannull (76. Kienle, 79. Bokilo), Deutsche, Giambrone – Drljo (70. Schaschinek), Siekerman (83. Namdar).