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Von der Supersaison zur Scheißsaison



Geschrieben von webmaster
Veröffentlicht: Montag, 12.04.2021 18:06:24
Zuletzt aktualisiert: Montag, 12.04.2021 18:06:24
Kategorie: HerrenMannschaften

Nach dem erwarteten Abbruch ist vor allem bei den Fußballmannschaften mit Aufstiegsambitionen die Enttäuschung groß. Derweil rückt die vom Verband geplante Strukturreform näher.
Bitter.“ „Schmerzhaft.“ „Zum Kotzen.“ Das ist ein Auszug der Kommentare. Und besser wird es auch nicht dadurch, dass im Prinzip mittlerweile jeder gewusst hat, dass es so kommen wird. Seit Freitag ist es nun endgültig: erneuter Saisonabbruch, keine Punktspiele mehr im Fußballjahr 2020/2021. Und: heuer auch weder Ab- noch Aufsteiger. Vor allem Letzteres macht vielerorts die Enttäuschung groß. Ein Rundblick über Coronaverlierer und Coronagewinner auf den Fildern, den Plan mit dem Pokalwettbewerb – und auf eine zweite wichtige Entscheidung, die der Beirat des Württembergischen Fußball-Verbands in seiner aktuellen Videokonferenz getroffen hat. Coronaverlierer Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Immer wieder hatten sie beim SV Bonlanden in den vergangenen Wochen auf die Inzidenzzahlen geschaut. Klar, die Chancen wurden kleiner und kleiner. Aber vielleicht doch noch eine plötzliche Wende? Wohl bei keinem Verein auf den Fildern hätte man es sich mehr gewünscht als an der Humboldtstraße. Denn auch keiner stand sportlich besser da. Tabellenerster in der Landesliga, Tabellenerster auch in der Kreisliga A – der Grundstein war gelegt für eine Supersaison. Nun hat man die Gewissheit: es ist eine Scheißsaison. Für die erste Mannschaft kostet Corona gar zum zweiten Mal in Serie die Aufstiegschance. „Ärgerlich. Sportlich keine schöne Sache“, sagt der Trainer Klaus Kämmerer.
Immerhin, er und die Seinen sind mit ihrem Schicksal nicht allein. Auch einige lokalen Nachbarn hätten in ihren Staffeln eine glänzende Ausgangsposition gehabt und gehen jetzt aber mit leeren Händen in die notgedrungen vorzeitige Sommerpause. Beispiel TSV Musberg in der Bezirksliga (siehe auch Interview unten links). Beispiel TSV Leinfelden, TSV Heumaden und TSV Jahn Büsnau in der Kreisliga B. Die Büsnauer hatten sich nach einem Traumstart mit sechs Siegen aus sechs Spielen sowie dabei erzielten 56 Toren „eigentlich schon wieder in der Kreisliga A gesehen“, wie der Abteilungsleiter Uwe Neidlein sagt. Was er vom jetzigen Aus hält? Neidlein formuliert es kurz und knapp: „Auf gut Schwäbisch: zum Kotzen.“
Es bleibt nichts anderes übrig, als sich auf einen Neuanlauf in der nächsten Saison zu fokussieren. Gleiches gilt für die als Titelfavorit angetretenen Plattenhardter Landesliga-Frauen, deren Trainer Steven Riechers „das alles gerade traurig“ findet. Freilich, ja: man habe es erahnen können. Von den 21 Fußball-Landesverbänden in Deutschland haben sich mittlerweile 13 für einen Abbruch entschieden. In vier weiteren steht jener kurz bevor und bedarf es nur noch der formellen Besiegelung. Lediglich in den Verbänden Bayern, Westfalen, Niederrhein und Mittelrhein zögert man noch.
Außer Württemberg haben im Anlauf auf dieses Wochenende auch Baden, Südbaden und Hessen den finalen Cut vollzogen. Betroffen sind in Württemberg alle Spielklassen bis einschließlich der Verbandsliga, jeweils Männer, Frauen und Jugend. Für die Oberliga werden noch gesondert Lösungen gesucht.Coronagewinner Wo Verlierer, dort auch Gewinner. Dass er sich über Corona freut, wird so natürlich keiner feststellen wollen. Doch bringt es die Krise mit sich, dass nicht wenigen Teams nun dadurch Kummer und Sorgen im Abstiegskampf erspart bleiben. Klassenverbleib frei Haus – ohne eigenes Zutun. Der TV Echterdingen etwa hat ein weiteres Jahr Landesliga sicher. In der Bezirksliga profitiert unter anderen die Spvgg Möhringen erneut. Jene dümpelte auch schon vor einem Jahr abgeschlagen im Tabellenkeller vor sich hin, ehe in Form des Saisonabbruchs der unverhoffte Rettungsanker kam (siehe auch Interview unten rechts). Nun wiederholt sich die Geschichte.
Bezirkspokal Keinerlei Spiele mehr in dieser Saison? Der Pokalwettbewerb könnte die Ausnahme darstellen. Im Gegensatz zum Ligabetrieb ist dieser noch nicht gecancelt. Wie er mit der betreffenden Konkurrenz verfährt, ist jedem Bezirk selbst überlassen. Für Stuttgart will der Vorsitzende Michael Spörer die Meinung der noch vertretenen Vereine einholen. Das sind immerhin noch deren 16, darunter von den Fildern die Mannschaften TSV Bernhausen, TSV Rohr II, TSV Plattenhardt II und TSV Musberg II. Als nächste Runde stünde das Achtelfinale an.
Die Frage wird sein, ab wann überhaupt Fußball wieder möglich ist. Einstweilen nicht ausschließen will Spörer Nachholtermine auch erst im Juli oder eventuell sogar noch später. Oder eine alternative Wettbewerbsform mit einem Finalturnier. Oder aber am Ende doch auch in diesem Fall den Abbruch.Strukturreform Im Schatten des Abbruchthemas haben die Beiratsmitglieder eine zweite wichtige Entscheidung getroffen: Sie sagten Ja zur geplanten Reform der Bezirksgebiete und Spielklassen, die damit die vorletzte Hürde genommen hat. Wie berichtet sollen die bisherigen 16 WFV-Bezirke auf zwölf reduziert werden. Im Bezirk Stuttgart ergäbe sich vor allem für die Bezirksligisten eine Veränderung. Sie würden fortan mit den Böblinger Teams eine gemeinsame Staffel bilden. Für die Landesliga-Staffel 2 fiele der Bereich Donau/Iller weg und käme dafür ebenfalls das Gebiet Böblingen dazu.
Aktuell stimmten lediglich die Vorsitzenden der Bezirke Hohenlohe und Zollern mit Nein – zwei der Bezirke, die dem Seziermesser zum Opfer fallen würden. Final entscheiden muss nun der Verbandstag, allerdings nicht wie bisher vorgesehen auf seiner nächsten regulären Sitzung am 24. Juli, sondern erst auf einer außerordentlichen im ersten Halbjahr 2022. Grund der Verlegung: von WFV-Seite möchte man zu diesem zukunftsträchtigen Thema eine Präsenzveranstaltung mit direkter Anwesenheit aller Delegierten, was in nächster Zeit wegen Corona kaum möglich sein wird.
Greifen soll die Reform dann von 2024 an. Die beiden Spieljahre zuvor könnten als Qualifikation dienen, in denen ermittelt wird, welche Mannschaften es in welche der neuen Staffeln schaffen.